Stellenanzeige schalten – auf Bewerbungen warten – Vorstellungsgespräche führen – einstellen. So oder ähnlich funktioniert seit vielen Jahrzehnten der traditionelle Recruiting-Prozess. Doch was, wenn diese Strategie immer weniger Erfolg verspricht? Wenn zu wenige, keine qualifizierten oder sogar gar keine Bewerbungen eintrudeln? Gerade in hochspezialisierten Bereichen wie Tech, Finance und Legal haben die Professionals mittlerweile freie Auswahl. Unternehmen müssen im Recruiting also neue Wege beschreiten. Einer davon ist das so genannte Reverse Recruiting. Was hat es auf sich mit dem jungen Recruiting-Trend? Wie kann Reverse Recruiting dabei helfen, auch in herausfordernden Zeiten erfolgreich zu rekrutieren? Welche Unternehmen sollten sich an eine Reverse-Recruiting-Agentur wenden?
Was ist Reverse Recruiting? Definition
Reverse Recruiting bedeutet wörtlich übersetzt „umgekehrte Rekrutierung“. Im Vergleich zum traditionellen Recruiting-Prozess, bei dem Arbeitskräfte sich auf passende Stellenanzeigen bewerben, wird der Spieß also umgedreht: Unternehmen bewerben sich bei passenden Kandidaten.
Damit ändert sich die traditionelle Rollenverteilung: Es ist nun die Aufgabe der Arbeitgeber, potenzielle neue Mitarbeitende von ihrem Unternehmen zu überzeugen – nicht andersherum. Und auch die Machtpositionen verschieben sich: Saßen bislang die Unternehmen am längeren Hebel, sind es beim Reverse Recruiting die Kandidaten, die entscheiden, ob sie einem Arbeitgeber „den Zuschlag geben“ oder nicht.
Warum Unternehmen sich auf ein solches Reverse-HR-Konzept einlassen sollten? Für viele lautet die Antwort schlicht: Weil es die Situation am Arbeitsmarkt erfordert. Aber auch, weil es am Ende des Tages tatsächlich Zeit (und damit Geld) sparen kann. Und nicht zuletzt, weil Reverse Recruiting den Grundstein legt für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Wie funktioniert Reverse Recruiting?
Arbeitgeber bewerben sich bei Kandidaten – wie funktioniert das in der Praxis? Im Grunde ist der Prozess der gleiche wie beim klassischen Recruiting – nur andersrum:
- Kandidaten finden (anstatt Stellenanzeigen zu finden)
- Bewerbungen an Kandidaten schicken (anstatt Bewerbungen an Unternehmen zu schicken)
- Bei positiver Rückmeldung kennenlernen
- Einstellen
Wer Reverse Recruiting betreiben will, braucht also zunächst einmal aussichtsreiche Kandidaten. Grob gesagt gibt es drei verschiedene Wege, um passende Kandidaten zu finden und via Reverse Recruiting zu kontaktieren:
1. Ansprache über ein Reverse-Recruiting-Portal
Am einfachsten lassen sich Kandidaten über so genannte Reverse-Recruiting-Plattformen finden. Diese Recruiting-Plattformen (wie auch ONE HIRING eine ist) sind sozusagen das Gegenstück zur Online-Stellenbörse: Kandidaten, die einen neuen Job suchen, haben die Möglichkeit, dort kostenlos ein Profil zu erstellen. Darin geben sie z. B. an, welche Art von Anstellung sie suchen, über welche Qualifikationen sie verfügen, an welchem Ort sie arbeiten möchten und welches Gehalt sie sich vorstellen. Anschließend sind die Arbeitgeber am Zug.
Arbeitgeber mit Personalbedarf können die Kandidaten-Datenbank nach passenden Personen durchsuchen und dabei nach bestimmten Kriterien filtern. Sobald sie vielversprechende Experten gefunden haben, können sie diese völlig unverbindlich für ein Kennenlerngespräch anfragen. Die Kandidaten entscheiden selbst, ob sie einem Kontakt zustimmen möchten – oder nicht.
2. Direktansprache über soziale Medien oder persönliche Netzwerke
Der zweite Weg, um passende Kandidaten zu finden, führt über persönliche und soziale Netzwerke. Recruiter machen sich gezielt im eigenen Umfeld auf die Suche nach aussichtsreichen Menschen für eine offene Position. Viele Unternehmen führen auch eigene Talent-Pools, in denen die Kontaktdaten früherer Bewerber oder Interessenten gesammelt werden. Wird Personal gebraucht, können sie auf diese Daten zurückgreifen.
Passende Kandidaten werden dann initiativ kontaktiert und erhalten eine umfassende Bewerbung – inkl. Anschreiben, allen Details zur offenen Stelle sowie umfangreichen Infos zum Unternehmen.
3. Kandidaten kennenlernen auf Messen oder Veranstaltungen
Darüber hinaus bieten Messen und andere Recruiting-Veranstaltungen einen weiteren Weg, um potenzielle neue Mitarbeitende kennenzulernen. Auch hier können Unternehmen aktiv auf vielversprechende Kandidaten zugehen, um sie für sich und eine offene Stelle zu begeistern.
Reverse Recruiting vs. Active Sourcing: Was sind die Unterschiede?
Ist Reverse Recruiting also im Grunde das gleiche wie Active Sourcing? Nein. Oder sagen wir: Nur zu Beginn. Denn eines haben die beiden Recruiting-Strategien gemeinsam: In beiden Fällen geht die Initiative vom Arbeitgeber aus. Das Unternehmen sucht also aktiv nach passenden Kandidaten für eine offene Stelle. Doch danach trennen sich die Wege:
Beim Active Sourcing geht es vor allen Dingen darum, eine langfristige Beziehung zu potenziellen Kandidaten aufzubauen. So werden durchaus auch Kandidaten kontaktiert, die unter Umständen gar nicht auf Jobsuche sind. Oberstes Ziel ist der Kontakt. Die Kandidaten werden gezielt angesprochen und aufgefordert, sich auf eine offene Position zu bewerben. Entscheiden sie sich dagegen, kann der Kontakt gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aktiviert werden.
Entscheiden sie sich für eine Bewerbung, folgt darauf der traditionelle Recruiting-Prozess, bei dem das Unternehmen die Entscheidung über Kennenlerngespräch und Einstellung trifft. Es kommt also lediglich der erste Kontakt auf Initiative des Unternehmens zustande – anschließend bleibt der Ball im Feld des Arbeitgebers.
Beim Reverse Recruiting dagegen geben Unternehmen diese Entscheidungshoheit aus der Hand. Sie bewerben sich aktiv bei potenziellen Kandidaten und bieten ihnen eine konkrete Stelle an. Anschließend überlassen sie den Kandidaten die Entscheidung, ob sie ein Unternehmen kennenlernen möchten oder nicht.
Eine Reverse-Recruiting-Bewerbung sollte ähnliche Anforderungen erfüllen wie eine „klassische“ Bewerbung auch, und alle wichtigen Informationen enthalten: ein aussagekräftiges, individuell formuliertes Anschreiben, umfassende Informationen zum Unternehmen, zu Mitarbeitervorteilen etc. sowie alle Details zur offenen Stelle, inkl. Gehalt. Zusätzliche Links zur Unternehmenswebsite oder zu Social-Media-Kanälen sowie zu weiterführenden Inhalten wie beispielsweise Videos erhöhen die Chancen darauf, mit Reverse Recruiting Jobs erfolgreich zu besetzen.
Sonderform: Headhunting
Eine Sonderform ist die Zusammenarbeit mit einem Headhunter. Auch hier geht die Initiative vom Arbeitgeber aus, jedoch werden sowohl die Suche nach passenden Kandidaten als auch die Kontaktaufnahme an einen externen Dienstleister ausgelagert. Das kann – insbesondere für schwer besetzbare Positionen – durchaus erfolgversprechend sein, treibt aber einerseits schnell die Kosten in die Höhe und ist andererseits weit weniger persönlich als die direkte Ansprache durch das Unternehmen.
Nicht verwechseln: Reverse Recruiting ≠ Reverse Recruiter!
Vorsicht Verwechslungsgefahr: Auch in anderem Zusammenhang gibt es den Ausdruck „Reverse Recruiter“. Damit sind Karrieredienstleister gemeint, die Fachkräften dabei helfen, einen neuen Job zu finden. Im Auftrag der Kandidaten übernehmen sie beispielsweise die Suche nach passenden Stellen sowie die Kontaktaufnahme mit den Unternehmen. Auch die Überarbeitung von Bewerbungsunterlagen, die Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche sowie spezielle Reverse-Recruiting-Apps können zu den Dienstleistungen gehören. Diese Art von Service ist in Deutschland allerdings bislang nicht sehr verbreitet, die bekanntesten Anbieter stammen aus den USA.
Die Vorteile: Pros und Cons von Reverse Recruiting
Aber warum sollten sich Unternehmen auf eine Reverse-Recruiting-Agentur einlassen? Ist es nicht viel einfacher, ein Angebot zu machen, sich zurückzulehnen und auf spannende Bewerbungen zu warten? Vielleicht. Doch wenn man es genau betrachtet, ist die etablierte Recruiting-Strategie längst nicht mehr so erfolgreich, wie sie mal war. Dafür frisst sie jede Menge Zeit und Ressourcen.
Reverse Recruiting verlangt von Unternehmen ein verändertes Mindset – bietet dafür aber jede Menge Chancen:
Vorteile von Reverse Recruiting für Unternehmen
- Sie können aktiv agieren und sind nicht mehr gezwungen zu warten, bis die passende Person zu Ihnen kommt.
- Sie kontaktieren nur die aussichtsreichsten Kandidaten. Das spart Zeit, da die Anzahl der Vorgänge reduziert wird. Mit Reverse-Recruiting-Plattformen wie ONE HIRING sprechen Sie z. B. nur qualifizierte Kandidaten an, die aktiv auf Jobsuche sind.
- Sie verschwenden keine Zeit mehr mit unpassenden Bewerbungen.
- Sie begegnen Ihren künftigen Mitarbeitenden auf Augenhöhe und legen so den Grundstein für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
- Sie werden nicht umhin kommen, sich mit ihrer Unternehmensidentität, ihren Stärken und Mitarbeitervorteilen zu beschäftigen. Das sind wichtige Grundvoraussetzungen für ein starkes Employer Branding.
Insbesondere jüngere Arbeitnehmende aus den Generationen Z und Y fühlen sich deutlich eher angesprochen von Unternehmen, die auch mal die Perspektive wechseln können.
Unternehmen bewerben sich bei Kandidaten: Für wen lohnt sich das?
Reverse Recruiting ist eine noch recht junge und innovative Form der Personalbeschaffung. Sie ermöglicht es Unternehmen, proaktiv die passenden Kandidaten zu kontaktieren und ihre offenen Stellen zielgerichtet zu besetzen. Dennoch gibt es auch Positionen und Unternehmen, für die Reverse Recruiting weniger notwendig oder geeignet ist.
Reverse Recruiting eignet sich …
- eher für spezialisierte, schwer zu besetzende Positionen.
- eher für gehobene Positionen/Führungskräfte.
- eher NICHT für saisonale Arbeitskräfte sowie für Stellen, die mit einer großen Zahl von Personen besetzt werden sollen (z. B. Paketzusteller).
- eher für kleine und mittelständische Unternehmen. Große Unternehmen haben (aktuell noch) den Vorteil, dass sie auf dem Arbeitsmarkt von einer hohen Bekanntheit profitieren. Dadurch fällt der Fachkräftemangel bei Konzernen im Vergleich nicht so deutlich ins Gewicht.
Beispiele für Reverse Recruiting
Die folgenden Anwendungsbeispiele (die wir frei erfunden haben) zeigen praktische Ansatzpunkte für Reverse Recruiting:
- Die Anwaltskanzlei Recht4U sucht einen neuen Partner. Seit Monaten liefert die entsprechende Stellenausschreibung in einschlägigen Online-Stellenbörsen kein passendes Match. Auch die Suche über den Headhunter war bislang erfolglos …
- Das mittelständische IT-Unternehmen SuperSafe benötigt einen Software-Entwickler mit speziellen Kenntnissen im Bereich der cyberphysischen Sicherheit. Der Arbeitsmarkt scheint leergefegt …
- Die kleine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft WiPGS möchte hochqualifizierten Nachwuchs einstellen. Obwohl das Stellenangebot gute Konditionen und tolle Benefits bietet, findet es kaum Beachtung. Der größte Teil der Absolventen entscheidet sich ohnehin für einen Job bei den BIG 4 …
5 Tipps für erfolgreiches Reverse Recruiting: Worauf Unternehmen achten sollten
1. Gehen Sie individuell auf Ihre potenziellen Kandidaten ein
Mit Reverse-Recruiting-Bewerbungen verhält es sich wie mit traditionellen Bewerbungen auch: Niemand mag ein Anschreiben „von der Stange“. Genauso, wie Unternehmen erkennen wollen, dass Bewerbende sich mit der Firma auseinandergesetzt haben, wollen auch Kandidaten persönlich angesprochen werden. Gehen Sie in Ihrer Bewerbung also individuell auf die Qualifikationen und Stärken der jeweiligen Person ein und beschreiben Sie, warum Sie ausgerechnet ihr die offene Stelle anbieten.
2. Kommunizieren Sie transparent
Lassen Sie Ihre Kandidate jederzeit wissen, woran sie sind. Erklären Sie die Schritte im Recruiting-Prozess einfach und transparent, beschreiben Sie Job und Team detailliert – und machen Sie auch verlässliche Angaben zum Gehalt. So präsentieren Sie sich seriös und vertrauenswürdig.
3. Reagieren Sie zügig
Ein Kandidat hat sich zurückgemeldet und möchte Ihr Unternehmen kennenlernen? Lassen Sie ihn nicht unnötig warten. Selbst, wenn es innerhalb Ihres Unternehmens noch Unklarheiten geben sollte – z. B. bei der Abstimmung eines Kennenlerntermins –, geben Sie dennoch eine Rückmeldung. Machen Sie klare Aussagen darüber, wann Sie sich wieder melden – und halten Sie sich dann auch daran. Auch auf eventuelle Rückfragen sollten Sie grundsätzlich zügig antworten. Denn der Wettbewerb schläft nicht.
4. Vermitteln Sie ein positives und authentisches Unternehmensbild
Sie verfügen über ein Unternehmensleitbild, Werte und eine einheitliche Unternehmenssprache? Wunderbar. Nutzen Sie diese Elemente, um sich als Unternehmen positiv und authentisch zu präsentieren. Falls nicht, ist es jetzt an der Zeit, sich Gedanken um die eigene Positionierung zu machen: Wie möchten Sie als Unternehmen in Erscheinung treten, wo liegen Ihre Stärken und Besonderheiten? Klare Leitlinien helfen Ihnen dabei, konsistent aufzutreten und Ihren Kandidaten direkt ein gutes Gefühl dafür zu geben, mit wem sie es zu tun haben. Und mal ehrlich: Sinnvoll sind diese Überlegungen ohnehin – z. B. als erster Schritt zu einem überzeugenden Employer Branding.
5. Kommunizieren Sie Ihre Mitarbeitervorteile
Warum sollten ein Kandidat oder eine Kandidatin sich für einen Job bei Ihnen entscheiden? Was haben Sie als Unternehmen zu bieten – jenseits von ansprechenden Aufgaben und einem angemessenen Gehalt? Verraten Sie Ihren Kandidaten, was Sie von Ihren Wettbewerbern abhebt. Darf der Hund mit ins Büro? Bieten Sie flexible Arbeitszeiten, besondere Boni oder ist Ihr Team einfach besonders liebenswert? Es gibt viele Faktoren, die bei der Jobentscheidung eine Rolle spielen – ein gutes Bauchgefühl ist dabei nicht zu unterschätzen!
ONE HIRING: Ihre Reverse-Recruiting-Plattform
Sie sind auf der Suche nach einer IT-Personalvermittlung, einer Personalvermittlung für Juristen oder einem Experten für Recruiting in Finance? Als spezialisierte Reverse-Recruiting-Plattform machen wir Ihnen das Finden passende Kandidaten leicht: Bei ONE HIRING können Sie einfach, unverbindlich und ganz ohne Registrierung nach passenden Experten für Ihre offenen Stellen suchen. Und wenn Sie fündig geworden sind, fragen Sie die aussichtsreichsten Kandidaten am besten direkt für ein Kennenlerngespräch an.